Während draußen klirrende Kälte herrscht, wollen wir nochmal einen Blick zurück auf eine Probe werfen, die wir Ende Oktober durchgeführt haben – und zwar bei schönstem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen. Die erlaubten es, den Grill nochmal anzuwerfen und so nach mehreren großen Weißweinproben in dieser Außensaison (etwa mit Assyrtiko, Malagousia, und Moschofilero) auch noch eine schöne Rotweinprobe im Freien zu veranstalten. Reinsortiger Cabernet Sauvignon sollte diesmal im Zentrum stehen. Im Folgenden sollen die Weine (die im Foto dem Alter nach sortiert sind) der Bewertung nach aufsteigend vorgestellt werden.
Etwas außer Konkurrenz laufen zwei Weine des Großproduzenten Cavino, dessen roten Atelier wir in den Jahrgängen 1991 und 1997 im Internet für die Weinprobe auftreiben konnten. Das weiße Gegenstück aus der Moschofilero-Rebsorte, den wir neulich im Jahrgang 1994 im Glas hatten, hatte es immerhin noch auf gute 15 Punkte gebracht. Farblich machte zumindest der 1997er Cabernet Sauvignon auch noch Hoffnung. Auch in der Nase macht der Eindruck von Rumtopf (bei sensationell niedrigen 12% Alkohol!) Appetit. Am Gaumen sträubt sich auch noch eine ordentliche Portion Holz gegen den Verfall, ist sogar noch eine Spur besser eingebettet als bei der Cuvée Porfyros von der Domaine Spiropoulos, die wir neulich nur zwei Jahre jünger im Glas hatten. Jedoch: Die Frucht hat sich bereits weitestgehend verflüchtigt und lässt so gerade im Nachhall viele Lücken. Das sind mittlerweile leider nur noch 9 Punkte.
Der 1991er hat schon deutlich mehr braune Reflexe, ist in der Nase weniger schwer, erinnert vor allem an Rosinen. Am Gaumen ist er noch erstaunlich frisch, aber doch recht eindimensional. Das sind aber immerhin bereits interessante 10 Punkte.
Der rote Gutswein vom Theotoky Estate von der Insel Korfu sticht aus der Reihe der verkosteten Weine deutlich hervor. Mit 12,5% bei diesem 2019er kamen nur die Jahrzehnte älteren Weine von Cavino in die Nähe solcher alkoholischen Tiefflüge. Dabei kann der Wein sogar noch weniger: 11,5% im Jahrgang 2018 hatten es Yiannis Karakasis mit 88 Punkten als „lightest rendition of this grape anywhere“ noch recht angetan. In der Nase zeigt sich der Biowein recht wild, gerade mit etwas mehr Luft kommt hier auch Leder durch. Am Gaumen ist der Wein, den man farblich für einen Spätburgunder halten könnte, dann doch recht fruchtig, erinnert im Hinblick auf Aromatik, Säure und Tannin stark an rote Johannisbeere. An Cabernet Sauvignon erinnert das nur bedingt, an Griechenland schon gar nicht. Bei lediglich 50m überm Meeresspiegel wird ein solch frischer Wein notgedrungen wohl mit früher Ernte und entsprechend mit grünen Noten erkauft. Wenn man unbedingt griechischen Cabernet Sauvignon sucht, den man mit Fisch servieren kann, ist man hier hervorragend beraten. Insgesamt reicht es für sehr gute 15,5 Punkte.
700m höher gelegen sind die Reben, aus denen der Αυλοτόπι vom Ktima Tselepou, das vor allem für seinen Moschofilero bekannt ist, gemacht wird. Die PGI Tegea bekommt man sonst, nur selten ins Glas. Der Wein gehört zu den teureren griechischen Cabernet Sauvignons, ist in Deutschland für knapp über 20€ zu erhalten. Dafür enttäuscht er dann etwas. In der Nase kommt der Jahrgang 2019 noch sehr harmonisch daher, vereint die 14,5% Alkohol mit einer guten Primärfrucht. Am Gaumen tritt das Tannin des jüngsten Weins in dieser Verkostung aber noch mit einem fordernden, mineralischen Charakter auf und lässt in aromatischer Hinsicht wenig Platz neben Aromen von Wacholderbeere. Ein Wein, der mehr Reife braucht und den wir weiter verfolgen werden. Glaubt man Yiannis Karakasis, der diese Einschätzung aufgrund der Verkostung des 2001ers lieferte, hält der Wein gut 20 Jahre durch. Vier Jahre waren beim 2012er wiederum zu wenig. Entsprechend kann man mutmaßen, dass auch beim 2019er der Gipfel noch nicht erreicht ist. Zum momentanen Zeitpunkt verdient der Wein sehr gute 16 Punkte.
Wenn man den letzten Jahrgang, nähmlich 2012, des Kultweins Trilogia für eine Probe auftreibt, den sein Erfinder Christos Kokkalis noch selbst produziert hat und am Ende des Abends die Flasche noch halb voll ist, dann spricht das – bei aller Sympathie für den Wein – doch Bände. Der Wein kommt für ein Alter von „nur“ einem Jahrzehnt doch schon mit recht viel oxidativen Noten daher. Auch schon früher gab es einzelne Jahrgänge, die nicht das große Stehvermögen hatten (so wohl 2001). Das gilt leider wohl auch für den Abschlussjahrgang, ehe für ein Jahr pausiert wurde und dann das Ktima Biblia Chora unter dem neuen Namen Ktima Dio Ipsi weitergemacht hat. (Siehe dazu unten.) Wir hatten neulich bereits eine Flasche aus demselben Karton geöffnet. Neben dem vier Jahre älteren Etos 2008 vom Ktima Biblia Chora (auch der war diesmal wieder dabei, siehe unten) wirkte er schon deutlich gereifter. Aber da er ordentlich Leder und Zigarrenkiste in der Nase aufbot, hatte der Wein doch seinen ganz eigenen Charakter und konnte bestehen. Da hatten wir mit dieser Flasche weniger Glück. Das griffige Tannin und der durchaus bemerkenswerte Abgang (viel Mokka) wirkten im Vergleich zu den anderen Weinen doch etwas dürftig. Die neulich verkostete Flasche steht eher bei 17 Punkten, doch hier waren es nur gerade noch so hervorragende 16.5 Punkte. Weiter liegen lassen braucht man diese Flaschen auf jeden Fall wohl nicht mehr, wenn man noch welche hat. (Falls jemand noch ältere Jahrgänge hat: An denen wären wir sehr interessiert!)
Der rote Mati Fortuna 2016 von AstirX ließ uns zunächst reichlich perplex zurück. Der Weißwein mit demselben Namen hatte uns jetzt nicht gerade zu Begeisterungsstürmen hingerissen. Dieser etwas unausgegorenen Cuvée tritt hier ein Wein entgegen, der offensichtlich mit ernsthaftem Anspruch produziert wurde, auch wenn hier – wie bei den anderen Weinen des Herstellers – Trauben von mehreren Weinbauern der Peloponnes verarbeitet wurden. Denn der Wein reifte nicht nur für zwei Jahre in neuen französischen Eichenfässern, sondern danach auch noch für zwei Jahre auf der Flasche, ehe er auf den Markt kam. Des Rätsels Lösung ist, dass das Weingut in weiß und rot auch noch eine Gold-Variante der Serie produziert, wir also tatsächlich zunächst Äpfel mit Birnen verglichen hatten. Preislich macht das allerdings nicht die Welt aus, denn der Wein liegt in Griechenland bei unter 15€. Für einen Wein mit so aufwändigem Ausbau ist dies im internationalen Vergleich nun freilich sehr erschwinglich. Zumal dieser sehr zielführend eingesetzt wurde – als einziger Wein im Reigen tat sich diese Flasche durch ausgeprägte Vanille-Aromatik hervor. Auch durch blumige Aromen in der Nase – vor allem Veilchen – machte er auf sich aufmerksam. Auch wenn die ganz große Komplexität fehlt, muss man daher anerkennen: „mission accomplished.“ Der Wein macht, was er soll. In einer Hinsicht muss sich das allerdings dann doch erst noch erweisen. Denn trotz des starken Holzgerüstes hatte er über mehrere Tage nicht das beste Stehvermögen. Wie er sich in fünf oder zehn Jahren gibt, muss man erst noch abwarten. Momentan vergeben wir hervorragende 16,5 Punkte.
Vom Jahrgang 2017 waren gleich vier Weine im Rennen und so zogen wir als Eichwein den Bin 407 von Penfolds heran, der zumindest was den Alkohol angeht (14,5%) recht vergleichbar ist. In der Nase springt einem auch gleich eine große Ladung Frucht in die Nase, die einen im ersten Moment für das Abschneiden der griechischen Konkurrenten fürchten lässt. Allerdings triftet das Ganze doch etwas ins Marmeladige ab und hat interessanterweise nach einigen Tagen gar nichts mehr zu bieten. Freilich trotzdem ein Wein mit sehr gutem Trinkfluss und Tanninen, die einer großen Bandbreite Weintrinkern gefallen dürften. Das wären hervorragende 16,5 Punkte und damit eine perfekte Ausgangsbasis, um zu prüfen, ob es griechische Weine desselben Jahrgangs gibt, die für deutlich weniger Geld mithalten können oder sogar die Nase vorne haben.
Der Klima Klima von Tsantali aus dem Jahr 2017 (PGI Chalkidiki) fällt vor allem durch die Aromen dunkler Beeren auf, die den Wein ausmachen. In der Nase dominieren zwar zunächst rauchige Aromen, am Gaumen haut einen dann eine fette Ladung Brombeere schier vom Hocker, bevor im Nachhall dann ganz sortentypisch schwarze Johannisbeere dominiert. Ein gelungener Wein, der allenthalben strukturell nicht ganz in oberen Ligen mitspielen kann. Hervorragende 16,5 Punkte. Übrigens: Der Name dürfte Deutschsprachige durch die Dopplung von „Klima“ etwas verwirren – hat seinen Sinn aber daran, dass auf Griechisch κλίμα („Klima“) und κλήμα („Weinrebe“) gleich klingen und entsprechend gleich transkribiert werden.
Mit 20 Jahren Lagerbarkeit wirbt auf dem Etikett der Cabernet Sauvignon 2017 von der Domaine Hatzimichalis (PGI Atalanti), die im Hinblick auf den Ausbau reinsortiger Weine im griechischen Weinbau eine Pionierrolle zukommt. Nach einem Viertel dieser in Aussicht gestellten Zeit zeigt sich der Wein aromatisch auf einem bereits guten Weg zur Reife. Nach insgesamt 10 Jahren sollte man im Keller liegende Flaschen also wohl schon mal wieder probieren. Das Tanningerüst trägt den Wein aber sicher auch darüber hinaus. Allerdings fehlt ein wenig die Säure, um hier ganz großen Optimismus walten zu lassen. Und auch was den Trinkfluss angeht, hemmt dieser Aspekt ein wenig. Ein trotzdem zweifellos sehr leckerer Wein, der durch seine schweren Aromen, dunkle Beeren und vor allem Zartbitterschokolade, aus dem Feld heraussticht. Momentan sind das hervorragende 17 Punkte. Und wer weiß – vielleicht sind es in fünf Jahren auch noch mehr. Auf jeden Fall hat der Wein das Standvermögen, um nach ein paar Tagen das analoge Produkt von Penfolds weit hinter sich zu lassen.
Damit verbleiben für das Jahr 2017 noch zwei Weine – beide werden sie im selben Keller ausgebaut, beide haben sie 15% Alkohol. Die Trauben kommen im einen Fall jedoch direkt aus den Weinbergen um das Ktima Biblia Chora (PGI Pangeon) und im anderen Fall aus den Weinbergen, die Christos Kokkalis ursprünglich in der PGI Ilia, bei Skafidia, bepflanzt hatte und deren Wein nun unter dem Namen Ktima Dio Ipsi firmiert. Geunkt wird unter den Kokkalis-Fans der ersten Stunde natürlich viel über die neuen Weine, die nach wie vor unter dem Namen Trilogia vermarktet werden. Und in der Tat haben diese ja nicht mehr den Vorteil eines Zweitweins, für den man Fässer mit weniger überzeugendem Inhalt verwenden könnte, da die Agiorgitiko-Cuvée, die früher „Mova“ hieß, nun als „Dialogos“ und mit Syrah verkauft wird (siehe hier). Zumindest die von uns verkostete Flasche gibt aber keinen Anlass für Pessimismus, sondern ruft eher Anerkennung für den sehr langen Nachhall voll sortentypischer Cassis-Noten hervor. Das sind immerhin bereits hervorragende 17 Punkte, wenn auch noch nicht der ganz große Wurf. Es fehlt einem dann eben doch ein wenig die härtere Gangart der alten Kokkalis-Weine, mit brachialerem Tannin und stärkerem Hang zur Zigarrenkiste. Man darf auf jeden Fall mit Spannung beobachten, wohin die Reise geht – und zumindest der Vergleich mit dem Ovilos 2017 fällt positiv auf, dass beide Weine ihren je eigenen Charakter haben und kein einheitlicher Hausstil durchgepeitscht wird.
Der Ovilos ist ebenfalls ganz klar als Cabernet Sauvignon erkennbar und zeichnet sich durch sehr rundes Tannin und viel Druck am Gaumen aus. Hier darf man bereits großartige 17,5 Punkte geben – muss fairerweise aber auch sagen, dass der Wein manchen Teilnehmern der Verkostung wohl eine Spur zu geschliffen war. Denn nimmt man den Füllstand am Ende des Abends als Maßstab, hatten andere Weine die Nase vorn. Das mag auch an der Fruchtsüße liegen, die den Wein eher für kalte Winterabende prädestiniert als für das Abgrillen bei über 20°C Ende Oktober. Jetzt gerade hätte ich beispielsweise sehr gerne noch eine Flasche im Regal...
Der rote Λευκή Πόλη 2018 von der Melidou Winery aus der PGI Serres spaltete in der Verkostung am meisten die Gemüter. Mit Blaubeere hier deutlich im Vordergrund ist dies nicht der typischste Cabernet Sauvignon im Feld. Der Wein ist aber so wunderbar rund und die 14% Alkohol so hervorragend integriert und auch in der Nase bereichernd, dass man hier großartige 17,5 Punkte geben muss. Den Wein, der vom kleinen Weingut nach ökologischen Prinzipien produziert wird, gibt es für um die 10€. Unglaublich.
Höher bepunktet ist dann nur noch ein Wein, der als einziger preislich in die Nähe des Bin 407 von Penfolds kommt. Nach dem Merlot im Jahr 2006 ist dieser Cabernet Sauvignon aus dem Jahr 2008 der zweite Wein der Serie Etos vom Ktima Biblia Chora. Die erste Flasche, die wir neulich hatten, hätte man gut auch 10 Jahre jünger einschätzen können, in dieser Verkostung waren erste – angemessene! – Reifenoten dann doch erkennbar. Er wird aber sicher noch über Jahrzehnte ein Genuss sein. Ein Wein mit toller Frucht und geschliffenem Tannin, wie es kaum besser geht. Man braucht nicht viel darum herumreden: Ein klar phänomenaler Wein von 18,5 Punkten. Viele Flaschen treiben sich auf dem Sekundärmarkt allerdings wohl leider nicht mehr herum.
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