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Griechische Weine

Agiorgitiko-Cuvées

Agiorgitiko ist neben dem Xinomavro sicherlich die bekannteste griechische Rotwein-Rebsorte. Durch die PDO Nemea hat sie internationalen Ruhm erlangt. Wir haben hier im Blog bereits einige namhafte Agiorgitikos aus Nemea und dem Rest Griechenlands besprochen (siehe etwa hier). Wenn es um Cuvées geht, kann man sich aber nicht des Eindrucks erwehren, dass die Agiorgitiko-Rebe hinter Xinomavro weit hinterherhinkt. Man hat nicht das Gefühl, dass viele Winzer ihm in der Hinsicht allzu viel Vertrauen schenken. Dass der nächste griechische „icon wine“ eine Agiorgitiko-Cuvée sein könnte, scheint ziemlich weit hergeholt.


Zugegeben: Im Laufe der Recherche für diesen Artikel wurde mir bewusst, dass bei diesem Eindruck ein Stück weit auch Vorurteile auf meiner Seite eine Rolle spielten. In meiner Erinnerung konnte ich kaum eine beeindruckende Cuvée aufrufen – und doch fingen solche Weine plötzlich an, mir überall über den Weg zu laufen, kaum hatte ich den Entwurf für diesen Artikel mit der Bemerkung begonnen, wie selten sie seien: Ein Nachbar ohne bewusst angelegte griechische Weinvorräte entdeckte zufällig eine relevante Flasche in seinem Weinregal und im Hotel auf Kreta sprangen mir plötzlich gleich vier Weine mit Agiorgitiko auf der Weinliste ins Auge, damit andere Cuvées völlig in den Schatten stellend...

Und ja, nicht nur an Verbreitung, auch an Geschichte mangelt es Agiorgitiko-Cuvées nicht, wie ich nach einiger Beobachtung des Marktes gereifter griechischer Weine feststellen konnte. Mit etwas Geduld konnte ich für den Artikel doch spannende ältere Weine finden.


In einer Hinsicht freilich war mein Vorurteil gerechtfertigt: Die Rebsorte Xinomavro hat es mit der PDO Rapsani, vor allem durch das Unternehmen Tsantali (das bis 2005 das einzige hier produzierende Weingut war), geschafft, auch als Verschnittpartner auf PDO-Ebene eine Rolle zu spielen. Auf eine solch ehrwürdige Tradition kann Agiorgitiko nicht verweisen. In diesem Artikel werden wir der Frage nachgehen, ob die Rebsorte dennoch Potenzial aufweist, gleichsam eindrucksvolle und charakteristische Weine hervorzubringen.


Roséweine

Zunächst wenden wir uns – als Aperitif sozusagen – zwei Roséweinen zu, welche die Barafakas Winery produziert.

Sehr solide ist die Cuvée Saint Modesto 2021, in welcher Grenache Rouge 50% beisteuert. In Griechenland gefällt mir diese Rebsorte nur selten in den Roséweinen mit mehr Restsüße, bei denen sie sehr beliebt ist. Hier ist das Ganze aber sehr stimmig. Der Wein ist sehr ausgeglichen in der Aromatik und Struktur, weist ordentlich Grip auf und ist mit 13% recht vollmundig. Sehr gute 16 Punkte.


Deutlich faszinierender ist aber noch die liebliche Cuvée Τρείς Μάγισσες 2021 desselben Weinguts. Mit 2,4 bar hat der Wein ungefähr so viel Druck wie ein Autoreifen (ein „Perlwein“ nach deutscher Nomenklatur). Mit 18 g/L Restzucker und geringen 11% Alkohol ergibt dies eine faszinierende Kombination, zumal leichte Bitternoten im Abgang das Abdriften ins Kitschige verhindern. Die „drei Hexen“ sind Agiorgitiko (80%), Syrah (10%) und Moschofilero (10%). Und in der Tat kommen hier Frucht, Rassigkeit und Floralität ganz bezaubernd zusammen. Der ohne Frage der beste liebliche Roséwein aus Griechenland, den wir dieses Jahr verkosten durften. Hervorragende 17 Punkte.


Alle guten Dinge sind drei…

Nach diesem Präludium können wir das Augenmerk nun auf die Rotweine legen. Öfter schon auf dem Blog Thema war die Rebsorte im Verbund mit klassischen Bordeaux-Rebsorten Cabernet Sauvignon und Merlot. Drei Weine sind hier besonders zu erwähnen.


Beim Klassiker von Katogi Averoff tritt Agiorgitiko auch in der Tat bereits sehr vordergründig auf, nämlich mit immerhin 30% (mit 40% hat Cabernet Sauvignon aber die Nase vorne, Merlot steuert ebenso 30% bei). Den 2018er haben wir hier mit 16,5 Punkten bewertet.


Nicht ganz so eine lange Tradition, aber trotzdem wegweisend ist der Anfang der 1990er Jahre von Vassilios Tsaktsarlis für die Domaine Costa Lazaridi kreierte Amethystos, der letztes Jahr neu (2018) noch sehr marmeladig und 16 Punkte wert war, gereift (2015) aber ein sehr feiner Genuss von 17 Punkten (siehe hier). Hier steuert der Agiorgitiko aber nur 10% bei.


Beim Hauswein von Biblia Chora, der den höchsten Merlot-Anteil dieser Weine hat (45%), haben die auch nur 15% Agiorgitiko trotzdem eine klare Funktion, nämlich den Wein auch jung zu einem fruchtigen Trinkerlebnis zu machen, das uns ebenfalls 17 Punkte wert war.


Es existieren auf dem griechischen Markt noch eine Zahl anderer Weine, die ebenfalls Agiorgitiko mit Merlot und Cabernet Sauvignon verbinden, die wir in Zukunft hoffentlich noch besprechen können. Dazu gehört etwa die 24 Monate in Eichenfässern reifende Cuvée Lantides von der Lantides Winery (40% Agiorgitiko, 30% Cabernet Sauvignon, 30% Merlot).


Die genannten Weine haben Geschichte und sind wirtschaftlich auch sehr bedeutsam. Zum Image des Agiorgitiko als potentem Verschnittpartner tragen sie dennoch nur wenig bei. Denn in diesen Cuvées tragen zweifellos nach wie vor Merlot und Cabernet Sauvignon die Hauptlast. Anders ist das bei einem weiteren Klassiker, dem Porfyros der Öko-Pioniere der Domaine Spiropoulos (PGI Peloponnes).


Hier dominiert Agiorgitiko und wird von anderen internationalen Rebsorten unterstützt (im verkosteten Jahrgang von Merlot und Cabernet Sauvignon; in anderen Jahrgängen teilweise auch von Cabernet Franc oder Syrah; in der Regel scheint der Anteil von Agiorgitiko bei 60% zu liegen). Neulich konnten wir im Internet einen Jahrgang 1996 ergattern. Ein griechischer Wein vor der Jahrtausendwende ist auf dem deutschen Sekundärmarkt von Seltenheitswert. Vergleicht man das etwa mit dem Bordeaux, wird man nochmals eindrücklich daran erinnert, was für unterschiedliche Startvoraussetzungen der griechische Weinbau hat. Dass man auch „damals“ aber sehr kompetent Wein zu machen wusste, zeigt dieser Wein eindrücklich. In der Nase zeigen sich bereits deutlich süßlich-oxidative Noten und das Unterholz ist sofort präsent. Am Gaumen zeichnet sich aber neben pilzigen Aromen aber auch noch deutliche Frucht ab. Auch trägt den Wein noch immer eine gute Säure. Der Ausbau von über einem Jahr in neuen französischen Eichenfässern hat der Haltbarkeit des Weins sicher gutgetan, sorgt zugleich jetzt aber für etwas zu vordergründige Holzaromen. Dazu kommt, dass wir bei Agiorgitiko schon öfter feststellen konnten, dass eine klare Frucht nach einigen Tagen doch recht spröde wird, was diesen Gedanken an Sägespäne noch verstärkt. Trotzdem ein beachtlicher Wein, der sich zwar bereits etwas jenseits seines Höhepunktes befindet, aber noch immer ganz klar beachtliche sehr gute 16 Punkte verdient – und damit sicher so manches exzellente Cru Bourgois aus dem Bordeaux hinter sich lässt. Den Jahrgang 2018 kann man in Deutschland für etwas mehr als 10 € die Flasche erwerben – und dann mal versuchsweise bis 2044 liegen lassen…


Neben der Kombination mit Merlot und Cabernet Sauvignon gibt es auch einige andere Cuvées mit insgesamt drei Rebsorten. Hier seien zwei genannt, bei denen Merlot durch andere Trauben ersetzt wurde.


Wie bei Katogi Averoff, steuert Agiorgitiko auch zum roten Avarinó von Nestor Winery (PGI Peloponnes) 30% bei (zu ebenfalls 40% Cabernet Sauvignon; die restlichen 30% werden hier von Grenache Rouge übernommen).

Der Wein ist mit 12% sehr leicht und sicher eher für den jungen Genuss gedacht. In der Nase zeigt sich der 2019er aber immer noch sehr fruchtig und die Kirsche am Gaumen gefällt uns sehr gut. Es gibt da keinen Grund, weniger als sehr gute 16 Punkte zu geben. In Deutschland bekommt man den Wein für unter 5€ im aktuellen Jahrgang. Eine sehr lange Tradition hat dieser Wein freilich noch nicht – in der Tat wurden beim 2019er sogar noch einige Flaschen mit dem veralteten Label gedruckt, statt Agiorgitiko steht da also noch Merlot auf der Flasche.


Im krassen Kontrast dazu steht ein Wein, den wir kürzlich ersteigern konnten und der die größte Überraschung der Recherche für diesen Artikel darstellt: Der Cava Clauss 1982 von Achaia Clauss.

Über diesen 40 Jahre alten Wein lässt sich im Internet wenig in Erfahrung bringen, außer, dass er (ohne Spezifizierung des genauen Verhältnisses) aus Agiorgitiko, Mavrodaphne und Cabernet Sauvignon produziert wurde. Bekannt ist das Weingut in der PDO Patras natürlich für die Dessertweine aus der zweitgenannten Rebsorte. Produziert wird aber auch ein PDO Nemea. Nach vier Jahrzehnten hatten wir für einen solchen „Vin de Table“ keine große Hoffnungen mehr. Doch weit gefehlt! Der kurze Korken saß noch wie angegossen, der Wein sprudelt scharlachrot ins Glas. Aromatisch lässt er etwas Unterholz erkennen, doch ist das alles andere als modrig und mit Pilzen übersäht. Dominant ist ganz klar die Frucht, vor allem rote Johannisbeere.



Am Gaumen überzeugt der Wein dann völlig durch eine knackige Säure und einen großartigen Zug. Ein Wein, den man auch nach all dieser Zeit einfach mit viel Genuss leertrinken kann! Völlig unerwartet müssen wir daher großartige 17,5 Punkte vergeben.

Ancheinend muss 1982 – ein Jahrhundertjahrgang im Bordeaux – auch in Griechenland sehr gut gewesen sein! Leider gibt es keine Jahrgangsberichte für Griechenland als Ganzes, selbst in den letzten Jahren findet man nur hier und da – vor allem bei Yiannis Karakasis – Berichte zu einzelnen Regionen. Ansonsten bekommt man höchstens noch die schwer einzuschätzenden Ernteberichte der Produzenten in die Finger. Aber Wetterdaten scheinen doch zumindest deutlich einen feuchten Frühling und trockenen Sommer zu belegen. Umfassende Jahrgangsberichte sind vielleicht das größte Desideratum im Hinblick auf griechischen Weinjournalismus! Sehr interessant ist auf jeden Fall auch zu sehen, dass der Wein auf dem Etikett damit wirbt, eine von „nur“ 139.564 Flaschen zu sein. Das

wird etwas verständlich, wenn man bedenkt, dass in den 1980ern der Wein „Demestica“ in einer Auflage von an die 20 Millionen (!) Flaschen auf den Markt geworfen wurde. Das Traditionsweingut, 1861 von dem Deutschen Gustav Clauss – welcher der Cuvée den Namen gibt – gegründet, hat sehr unter Besitzerwechseln und Umstrukturierungen gelitten (Konstantinos Lazarakis MW schreibt in The Wines of Greece darüber) und ist heute eigentlich nur noch für den Dessertwein Mavrodaphne bekannt. Interessanterweise erfolgte eine großangelegte Modernisierung genau im Jahr 1983. Ob der hervorragende Zustand unseres Weines etwas damit zu tun hat, dass er noch aus der vorangehenden Epoche stammt?


Sehr spannend wäre es, einmal die Cuvée III rot von der Domain Mega Spileo zu verkosten, bei welcher die Zusammensetzung der Rebsorten dieselbe ist. Cabernet Sauvignon und Mavrodaphne sind hier mit je 40%, Agiorgitiko mit 20% – was weniger als im Cava Clauss sein könnte, sofern die Reihenfolge der Nennung der Rebsorten eine Signifikanz haben sollte. (Das Weingut hat auf Anfragen nicht reagiert.)


Ebenfalls eine einheimische Rebsorte mit ordentlich Tannin kommt in der Cuvée der Mylonas Winery aus Merlot (40%), Agiorgitiko (40%), Mandilaria (40%) vor. Auch das ist ein Wein, den wir versuchen werden, für einen Folgeartikel zu berücksichtigen. Malagousia und insbesondere Assyrtiko des Weinguts haben uns bereits sehr gut gefallen.


Etwas internationaler aber trotzdem sehr innovativ scheint auch der Nohma vom Ktima Palivou zu sein. Zu 60% Agiorgitiko kommen 23% Cabernet Sauvignon und 7% Syrah – zwei internationale Rebsorten, die als jeweils exklusiver Verschnittpartner zu Agiorgitiko sonst eher gegeneinander ausgespielt werden (s. u.). Nach 12 Monaten Ausbau in Akazien-Fässern reifen sie mit dem um ein Jahr jüngeren Agiorgitiko für weitere 12 Monate in französischer Eiche.


Enge Partnerschaft…

Nach dieser beeindruckenden Reise in die Vergangenheit soll es im Folgenden um Weine gehen, in denen der Agiorgitiko sich nur mit einer einzigen weiteren Rebsorte herumzuschlagen hat. Hier kann man sich am besten einen Überblick darüber verschaffen, welche Dynamiken Agiorgitiko im Reigen mit anderen Rebsorten entfesselt.


Besprochen hatten wir etwa bereits den Versuch des Estate Manolesakis, mit dem Pelagia Pelagia die Filigranität des Agiorgitiko durch Pinot Noir aufzugreifen – mit durchaus beachtlichem (16,5 Punkte), aber sicher noch nicht durchschlagendem Erfolg. (Der Jahrgang 2018 hat es – etwas verblüffend – immerhin auf Platz 30 der „50 Great Greek Wines“ gebracht.)


Sehr interessant klingt auch der Verschnitt mit Mavroudi, den die Monemvasia Winery produziert. Diese Cuvée hat aber immerhin bereits lobende Worte von Yiannis Karakasis erhalten. Hoffentlich, können wir eine Besprechung in naher Zukunft nachreichen. Im Folgenden beschränken wir uns auf Cuvées mit den drei bekannten internationalen Rebsorten Merlot, Cabernet Sauvignon und Syrah.


Auch irgendwann mal verkosten müssen wir den roten Little Ark von Lantides Winery – denn da gehen die beiden um den Rang als beste griechische Rotweinrebsorte konkurrierenden Rebsorten Agiorgitiko und Xinomavro Hand in Hand.


... mit Merlot

Erst neulich hatten wir den Fall angesprochen, dass Cuvées nach dem Motto „gleich und gleich gesellt sich gern“ teilweise erstaunlich überzeugende Weine darstellen. Im dort besprochenen Fall ging es um zwei jeweils gerbstofflastige Rebsorten. Ähnlich sieht es bei der Kombination des eher fruchtigen und filigranen Agiorgitikos mit dem ebenfalls eher sanften Merlot aus. Wirklich durchsetzen konnte diese sich bisher allerdings nicht.


Freilich, spielte Agiorgitiko in früheren Jahrgängen des roten Plagios vom Ktima Biblia Chora eine Rolle. Den letzten Jahrgang mit 15% Agiorgitiko, 2012, bewerteten wir mit immerhin 17,5 Punkten. Die Umstellung auf ausschließlich Merlot war aber wohl die richtige Entscheidung, denn die Jahrgänge 2013 und 2014 schnitten noch besser ab.


Produzenten, die dem Agiorgitiko im Verbund mit Merlot größeren Spielraum einräumen, scheint es nicht viele zu geben. Neben den hier besprochenen Produzenten gibt es noch das Ktima Evharis, das mit dem Melapus einen Wein aus 60% Agiorgitiko und 40% Merlot (8 Monate Fassausbau) produziert.


Im Viale die Parioli 44 des Jahrgangs 2020 von der Fteri Vinum Winery in der PGI Arkadien sind die beiden Rebsorten im Verhältnis 1:1 kombiniert.

In der Nase zeigt sich sehr typische Agiorgitiko-Aromatik, die mehr das blumige als das fruchtige Spektrum abdeckt. Dazu kommt im ersten Moment eine Anmutung von viel Alkohol, die sich mit Blick auf die 12,5% allerdings schnell als Täuschung herausstellt – und auf sehr deutliche Rum-Aromen zurückzuführen ist. Am Gaumen ist der Wein dann eher zurückhaltend, der Merlot grätscht frühzeitig mit dunkler Olive dazwischen und die Frucht bleibt eher verhalten. Dazu kommt ein leicht metallischer Nachgeschmack. Insgesamt sind dies aber bereits sehr gute 15,5 Punkte. Dabei vermuten wir, dass dieser Wein mit Reife auch noch etwas besser wird. Im momentanen Zustand ist der Wein noch von einem etwas übertriebenen Ernst gekennzeichnet, der keine wahre Trinkfreude aufkommen lässt. Es wird zu sehen sein, ob dieser für eine Merlot-Agiorgitiko-Cuvée erstaunlich blickdichte Wein seine Aromen mit mehr Reife noch freigeben wird.


Schon länger experimentiert mit der Kombination aus Merlot und Agiorgitiko das Olympia Land Estate, schnurstracks – keine 70km Luftlinie – nach Westen, hinein in die PGI Ilia. Auch beim Pheidias (dessen erster Jahrgang 2011 produziert wurde) steuern beide Rebsorten jeweils die Hälfte bei.

Im Frühjahr 2021 hatten wir bereits den Jahrgang 2015 verkostet. In der Nase dominierte Pflaume, am Gaumen kamen dazu noch Preiselbeernoten. Was die Frucht anging, war das durchaus überzeugend. Allerdings konnten wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Wein bereits seinen Zenit überschritten hatte. Es fehlte ihm Komplexität und lediglich einige ätherische Nuancen (Tanne, Eukalyptus, Rosmarin) hätten ihm 15,5 Punkte bescheren können. Da wir bei einem Besuch auf dem Weingut jedoch erfuhren, dass der Wein ganz bewusst nach dem Jahr im Holz noch mehrere Jahre auf der Flasche liegen gelassen wird, vermuteten wir, dass wir mit unserer Flasche vielleicht einfach Pech gehabt haben könnten. Nun bekamen wir im Herbst 2021 eine Probe des jetzt gerade auf den Markt kommenden Jahrgangs 2016 mit – und atmeten erleichtert auf, nicht bereits die früheren Eindrücke veröffentlicht zu haben. Denn der Wein zeigte sich jetzt ganz im Gegenteil noch in voller Kraft. Die ätherische und fruchtige Aromatik bestätigte sich, aber der ganze Eindruck war viel vielschichtiger und anhaltender. Und die Tannine zeigten sich sogar noch recht aggressiv. Ein wenig zu knabbern haben wir noch am Alkohol (eigentlich nur 13,5% statt 14% im Jahr zuvor) – der beim Assyrtiko desselben Weinguts trotz sehr hohen Wertes ganz wunderbar funktionierte, hier aber etwas brandig daherkommt. Und Aromatik und Tanninstruktur sind zwar beide da und gut ausgeprägt, laufen aber ein wenig parallel. Vielleicht findet da die Integration tatsächlich erst noch statt. Wir geben dem Wein hervorragende 16,5 Punkte – und all unsere Aufmerksamkeit in den kommenden Jahren.


Ein wenig kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Verschnitt von Merlot gerade bei den unkomplizierteren Weinen sehr viel leichter funktioniert, während die Vermählung bei den ernsthafteren Weinen noch etwas verzwungen wirkt und es noch eine offene Frage ist, inwiefern der Einsatz von Holz tatsächlich eine lange Ehe garantiert.


Ein sehr gelungenes Beispiel für die erstgenannte Kategorie wäre etwa der Clio, The Red Muse 2018 von der Muses Winery (PGI Zentralgriechenland).

Merlot liegt hier mit 60% leicht vorne, lässt dem Agiorgitiko aromatisch aber viel Raum. Mit 12,5% leicht wie der Avarinó von der Nestor Winery, ist die Kirscharomatik hier präziser und in Kombination mit Nougatnoten einfach ziemlich lecker – wenn auch nicht sehr komplex. Gerade in dieser süffigeren Stilistik ist aber sicher bereits von einem Erfolg zu sprechen – der interessanterweise auch am rechten Rand des von den Herstellern angegebenen Trinkfensters von 2-4 Jahren als ausgesprochen fidel auftritt... Bitte mehr von Weinen wie diesem, dem wir hervorragende 16,5 Punkte geben – und ganz schnell ausgetrunken haben… (was bei deutlich unter 10€ kein allzu großes Problem kreiert).


Natürlich ist nicht jede auf leichten Trinkgenuss hin konzipierte Agiorgitiko-Merlot-Cuvée automatisch ein solcher Erfolg. Das zeigte mir einer der genannten Hotelweine, der Ariston von der Loukas Winery aus Megara.

Hier kommen 12% Alkohol und gute Frucht zu einem durchaus passablen Wein zusammen, dem freilich die Komplexität fehlt, um mehr als trotzdem schon gute 15 Punkte zu erreichen.


... mit Cabernet Sauvignon

Agiorgitiko hat nicht das beste Alterungspotenzial der Welt. Das merkt man auch daran, dass auch Weine mit großartiger Primärfrucht schon einen Tag nach dem Öffnen öfters eher spröde daherkommen. Es scheint daher eigentlich nahe zu liegen, der Rebsorte einen kräftigen Partner zur Seite zu stellen, der die Struktur mit einer ordentlichen Portion Tanninen stützen kann.


Und in der Tat haben wir hier bereits die Cuvée mit Cabernet Sauvignon von Oenotria Land besprochen. Die bereits großartigen 17,5 Punkte lassen bei mehr Alterung (verkostet wurde letztes Jahr der 2018er Jahrgang) sogar noch Luft nach oben. Allerdings liegt hier mal wieder der Schwerpunkt auf dem mit 90% klar dominierenden Cabernet Sauvignon (und ganz großartiger Aromatik des Holzausbaus). Umgedreht wird das Verhältnis etwa bei der roten Cuvée Prestige der Domaine Skouras, die wir leider noch nicht verkostet haben.


In einem ausgeglichenerem Verhältnis standen die Rebsorten in einem Wein, der Kultstatus erreicht hat und heute auf dem Sekundärmarkt leider nicht mehr zu bekommen ist: der Mova von Christos Kokkalis (auch PGI Ilia), der aus 70% Agiorgitiko und 30% Cabernet Sauvignon bestand, der Zweitwein zum „Trilogia,“ einem reinsorten Cabernet Sauvignon, der aus verschiedenen Gründen in Deutschland lange als einziger potenzieller „icon wine“ Griechenlands galt. Vom Mova hatte ich den meines Wissens letzten produzierten Jahrgang vor einigen Jahren im Glas (das müsste der 2014er gewesen sein). Ein rassiger, würziger Wein mit viel Eigenständigkeit! Mittlerweile wird er leider nicht mehr in dieser Form produziert, sondern wurde vom Wein „Dialogos“ ersetzt, in welchem Syrah den Platz von Cabernet Sauvignon einnimmt. Mehr dazu gleich …


Schade ist, dass es diese Kombination mit Cabernet Sauvignon so sonst kaum noch zu probieren gibt – zumindest als ernsthaften Wein. Als Zechwein begegnet die Cuvée eher noch. Nicht schlecht ist etwa der Charisma, der vom Semeli Estate für die Hotelkette Grecotel abgefüllt wird und den ich neulich im Urlaub probieren konnte.

Der Wein ist dichter in der Farbe, hat genügend Alkohol (13%) und spürbar Tannin. Dazu kommt eine recht leckere Sauerkirsche am Gaumen. Der Anteil vom Agiorgitiko wird nicht angegeben, muss aber substanziell sein, weil florale Noten deutlich da sind. Das ist ein guter Wein am oberen Ende des Spektrums, also 15 Punke.


Deutlich schlechter schneidet da der Pandora rot von Cavino ab, den das Hotel ebenfalls auf der Weinkarte hatte. Diesen Wein der PGI Peloponnes gibt es bei LIDL günstig zu erwerben.

Die nur 12% Alkohol auf dem Etikett verraten aber bereits, was sich am Gaumen klar zeigt: fehlende Reife der Trauben. Der Wein ist aromatisch sehr grün, der Cabernet Sauvignon steuert nicht nennenswert stützendes Tannin bei. Entsprechend hell ist der Wein. Kirscharomatik ist vorhanden. Der Wein ist bereits gut, aber mit 14 Punkten eher gerade so. Interessanterweise wurde hier wohl von Syrah in früheren Jahren als Verschnittpartner in die andere Richtung als bei Mova-Dialogos gewechselt.


Sehr schön wäre es, mehr Versuche zu sehen, die beiden hier besprochenen Rebsorten Weinen zu sehen, die mit Anspruch auf Lagerfähigkeit konzipiert wurden. Eine Zeit lang produzierte Boutari beim Gut in Mantinia einen Wein mit dem Namen Ode. Es scheint, als sei dieser den Simio Stixis ersetzt worden. Das Preissegment lässt allerdings eher wieder einen leicht trinkbaren Wein ohne all zu großen Anspruch erwarten.


Deutlich mehr Hoffnung macht der noch nicht von uns verkostete Ktima Lapotripi von Sokos Wines, wo immerhin in 18 Monate Eichenfassausbau investiert wird (60% Agiorgitiko, 40% Cabernet Sauvignon) … Vielleicht hält er die Tradition des Mova aufrecht?


... mit Syrah

Insgesamt scheint die Tendenz dahin zu gehen, Agiorgitiko mit dem ebenfalls rassigen Syrah zu verbinden. Die folgende Auflistung orientiert sich am Gehalt an Agiorgitiko in der Cuvée, in absteigender Reihenfolge.


Ein recht gelungener Einstiegswein ist der Oneiros Helios rot 2019 vom Semeli Estate.

Hier wird dem Agiorgitiko mit 80% die dominierende Rolle eingeräumt. Zur ordentlichen Frucht (vor allem Himbeere) kommt sogar ein bisschen Holz. Im ersten Moment denkt man an Eichenchips, aber des Rätsels Lösung ist der Ausbau für sechs Monate in gebrauchten Fässern. Immerhin bekommt man so für wenig Geld Holzaromatik, wenn man das gerne hat. So gut integriert wie bei höherpreisigen Weinen ist es freilich nicht. Ein bereits sehr guter Wein von 15,5 Punkten.


International die vielleicht bekannteste Agiorgitiko-Cuvée überhaupt ist der Thema rot vom Ktima Pavlidis.

Syrah ist mit 40% in der Minderheit, aber schon durch die violetten Farbtöne deutlich erkennbar. In der Nase zeigte sich der Jahrgang 2017 letztes Jahr mit einer schönen Kirschfrucht und sattem Butterkaramell, unterlegt von etwas Graphit. Am Gaumen tritt der Syrah mit nur wenig Pfeffer, aber sehr viel Blaubeere, in Erscheinung. Dazu kommt ein bereits sehr gut eingebundenes Holz. Ein sehr schöner Wein, dessen Abgang leider nur mittellang und eine Spur zu sehr vom Alkohol (14,5%) dominiert ist. Er wird aber zugleich doch von sehr angenehmen Gewürznoten, vor allem Zimt, getragen. Eine nicht zuletzt deswegen auch bereits hervorragende Cuvée mit 16,5 Punkten. Mit allen Faktoren im Lot ist hier auch noch deutlich mehr drin.


Ganz ausgeglichen ist das Verhältnis der beiden Rebsorten im roten Dialogos von Ktima Dio Ipsi, einem Satellitenweingut vom Ktima Biblia Chora, welches das Erbe von Christos Kokkalis in der PGI Ilia weiterführen soll.

Man mag die Umstellung auf Cabernet Sauvignon als Verschnittpartner im Hinblick auf das Schicksal des „Mova“ bedauern, gleichwohl muss man eingestehen, dass der neue Wein, hier der Jahrgang 2019, sehr gelungen ist. Schon das Etikett passt hervorragend zum violetten Wein. In der Nase erinnern Aromen von Asche sofort an den Hausstil vom Ktima Biblia Chora – spezifischer den roten Gutswein (ohne Syrah). Passend dazu findet man am Gaumen aber auch speckige Aromen, die wohl tatsächlich durch die Rebsorte Syrah beigesteuert sind. Aromatisch dominieren Waldfrüchte. Das Tannin ist sehr fein, das Spiel ist sehr gut. 14% Alkohol sind genau richtig. Der Abgang ist mittellang, von Gewürzen geprägt. Der Wein hat hervorragenden Zug. Ein unglaublich leckerer Wein, der hervorragende 17 Punkte verdient. Für höhere Sphären fehlt ihm noch eine Spur Komplexität – die sich mit mehr Reife aber durchaus noch einstellen könnte.


In der Cuvée Thiseas der Andreou Winery spielt Agiorgitiko schließlich mit 30% jetzt wieder nur die zweite Geige.

Das seit 1995 bestehende Weingut hat erst 2017 auf Flaschenproduktion umgestellt. Dann gleich einen „gastronomic wine“ vorlegen zu wollen, ist schon reichlich ambitioniert. Was in der Nase noch recht verhalten beginnt, zeigt sich am Gaumen dann aber tatsächlich überzeugend ausdrucksstark. Hier kommt sehr viel dunkle Frucht mit angenehm dezenten Gewürzen zusammen. Blaubeere, Pfeffer – aber auch Veilchen – betören immer mehr. Vor allem bleibt der Wein auch ein Genuss, wenn er wärmer wird – denn mit nur 13% Alkohol ist er für einen griechischen Rotwein erstaunlich schlank. Eine dichte, sehr beeindruckende Cuvée, der wir großartige 17,5 Punkte geben.


Noch weniger Agiorgitiko – nämlich nur 10% – hat dann die gleichnamige Cuvée von Oenetria Land (mehr dazu hier), zu der wir oben bereits den analogen Wein mit 90% Cabernet Sauvignon statt Syrah angeführt haben.


Wir schließen diesen Artikel also mit einem weiteren Wein, den es für einen Fortsetzungspost zu berücksichtigen gilt. Es bleiben noch einige Weine zu besprechen, die das hier grob skizzierte Bild weiter abrunden werden – und ihm vielleicht sogar ganz neue Konturen geben können. Für den Moment hoffen wir, das die hier zusammengetragenen an Verkostungsnotizen und Überlegungen hilfreiche Anregungen bieten, um selbst mit dem Glas in der Hand der Frage nachzugehen, was Agiorgitiko in Cuvées zu leisten vermag…

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