Nach Sauvignon Blanc soll nun die einzige Weißwein-Rebsorte besprochen werden, die international noch breitere Verwendung findet – und auch in Griechenland ganz hervorragend gedeiht. Das zeigen die folgenden Beispiele aus ganz verschiedenen Weinbauregionen (PGI Epanomi, PGI Messinien, PGI Ilia, PGI Atalanti, PGI Drama).
Ein Musterbeispiel ist und bleibt der Chardonnay vom Ktima Gerovassiliou, das wir hier sehr ausführlich portraitiert haben. Es handelt sich dabei um einen der ersten Chardonnays, der international hatte aufhorchen lassen und Evangelos Gerovassiliou den Titel des „Königs des Chardonnay“ einbrachte. Die Holznoten liegen recht nahe am Chardonnay Tramanto von Alpha Estate (hier besprochen), insofern auch hier Vanille ganz klar im Mittelpunkt steht. (Für einen im Fass gereiften Chardonnay, der auch Leute mit Holzaversionen abholt, siehe demgegenüber hier für eine klare Kaufempfehlung.) Der Wein ist jedoch weniger von Zitrusaromen dominiert, sondern erinnert mehr an gelbes Steinobst, vor allem Mirabellen. Die große Stärke des Weines liegt darin, dass der Wein mit großer Cremigkeit daherkommt, die vor allem dem Holzausbau und dem Feinhefelager und nicht den 13,5% Alkohol zuzuschreiben ist, gleichzeitig aber phänomenalen Trinkfluss verzeichnet. An die Komplexität ganz großer Burgunder-Gewächse kommt er nicht heran, dafür ist er aber schon verdammt lecker und lässt sich so gut „schlotzen,“ dass man damit am Tisch eine große Bandbreite Weintrinker zufriedenstellen wird. Als wir den Jahrgang 2020 letzten Herbst verkosteten, verdiente er bereits großartige 17,5 Punkte. Mit längerer Reife könnte das noch nach oben gehen.
Doch auch kleine griechische Weingüter wissen mittlerweile, Holz sehr gezielt und effektiv einzusetzen. Das zeigte sich kürzlich eindrucksvoll bei einer kleinen Probe mit griechischem Chardonnay.
Der ROES Chardonnay von der Oinotropai Winery aus der PGI Messinien ist hierfür ein sehr gutes Beispiel. Dieser Wein, der in Griechenland unter 15€ kostet, kommt mittlerweile mit einer Wachskapsel und daher mit einem ganz schön edlen Auftreten daher. Aber eigentlich kann ein Chardonnay, der für gerade mal vier Monate – und das auch nur zum Teil – in amerikanischer Eiche lag, doch kaum so richtig wuchtig aufschlagen, oder? Beim Öffnen des 2018ers begegnet einem dann sofort eine sehr charmante Frucht. Man lächelt zufrieden und trinkt gern die ersten Schlucke – und während man so unbedarft genießt, fesseln einen die so harmlos daherkommenden Aromen dann plötzlich. Mensch, was für eine klare Frucht! Und zu Aromen von Bratapfel kommen dann noch gerade genug laktische Noten, um einen an Vanillesauce denken zu lassen. Das besondere an diesem Wein ist: Je weiter man verkostet, desto mehr wundert man sich, dass sich einfach so gar keine Misstöne einstellen wollen. Auch noch Tage nach dem Öffnen der Flasche bestätigt jeder Gang zum Kühlschrank, dass man dem Wein schlichtweg verfallen ist. Wir haben auch den Jahrgang 2019 probiert. Dieser hat in Sachen Aromatik sogar leicht die Nase vorne und zeichnet sich durch eine expressive exotische Frucht aus. Es ist aber zugleich der etwas harschere Wein. Der 2018er schmeichelt sich da behutsamer am Gaumen an und beeindruckt mit seinem so dezenten aber langen Nachhall von Kokos und Karamell. Daher: Hervorragende 17 Punkte für den 2019er und großartige 17,5 Punkte für den 2018er.
Es muss freilich nicht immer Holz sein. Der Oreino Monopati Chardonnay 2020 vom Olympia Land Estate (unweit von der Oinotropai Winery, in der benachbarten PGI Ilia) ist ein Beispiel dafür, wenn auch kein ganz klassisches. Er war zwar nur im Stahltank, ist aber von einer sehr oxidativen Machart geprägt. Die Aromatik ist überreif, auch wenn der Alkohol nur bei 13% liegt. Die fruchtigen Aromen erinnern vor allem an Dosenananas. Zwar bremsen die Tannine den Trinkfluss wieder, der überdurchschnittlich lange und durchaus spannende Nachhall animiert dann aber doch immer wieder zum weiter verkosten. Ein bereits sehr guter Wein von 16 Punkten.
Deutlich massentauglicher dürfte jedoch schon der Chardonnay aus der Château Julia Serie von Costas Lazaridis (dessen Weingut wir sehr ausführlich hier vorgestellt haben) sein. Ein Wein, der praktisch alle Chardonnay-Liebhaber zufriedenstellen wird. Er ist frisch, geradlinig und trumpft mit praller Fruchtaromatik auf. Die Säure empfanden einige als zu scharf – ein wenig malolaktischer Säureabbau könnte dem Wein vielleicht noch helfen. So oder so aber bereits klar hervorragende 16,5 Punkte.
Nochmal eine Schippe drauf legt allerdings die Domaine Hatzimichalis mit dem Chardonnay Houlevena 2021. Der Wein kommt mit satten 14,5% Alkohol (Château Julia hat 13,5) daher. Da er jedoch nicht im Holzfass war, ist er keinesfalls zu buttrig. Im Gegenteil – der durch seine gelbe Farbe auffallende Wein betört durch eine fantastische Nase. Es dominieren Aromen von gelben Steinobst, in die man sich hineinlegen könnte. Am Gaumen ist er eine Spur weniger spektakulär, aber immer noch sehr gut. Insgesamt sind das hervorragende 17 Punkte.
Zum Schluss noch ein Kommentar in eigener Sache: Der Shop Oinos Greek Wine hat drei der hier besprochenen Weine (im selben Jahrgang) vorrätig. Den Ktima Gerovassiliou Chardonnay 2020 für 18,95€, den Château Julia Chardonnay 2021 für 11,95€ und den Domaine Hatzimichalis Chardonnay Single Vineyard Houlevena 2021 für 10,70€. (Den oben verlinkten Tramonto von Alpha Estate gibt es im Jahrgang 2019 ebenfalls, für 17,99€.) Wer unsere Verkostungsnotizen in der Praxis nachvollziehen möchte und unsere Webseite unterstützen möchte, kann über dieses Formular eine Bestellung aufgeben, wodurch wir vom Shop eine kleine Provision bekommen. Über Rückmeldung zu den Weinen (Zustimmung oder abweichende Eindrücke) freuen wir uns natürlich!
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