Syrah erlangte in Griechenland erstmals durch die reinsortigen Weine vom Ktima Carras in den frühen 1990er Jahren größere Bekanntheit. Seitdem ist die Syrah-Rebsorte nach Cabernet Sauvignon und Merlot die wichtigste internationale Rotweinrebsorte in Griechenland – wobei viele sagen, dass sie klimatisch eigentlich den Vorrang haben sollte. Persönlich sehe ich das etwas anders. Griechenland produziert in meinen Augen hervorragenden Cabernet Sauvignon, Merlot mit einem einzigartigen Charakter (vor allem Lacules Estate und jetzt der Neue „Emperor“ von Papargyriou) und einige Bordeaux-Cuvées auf Weltklasse-Niveau. Syrah spielt eine Rolle in einigen wichtigen Cuvées (z.B. im „S.M.X.“ von Alpha Estate). Der reinsortige Ausbau begeistert mich bisher aber noch nicht vollkommen. Aber ab und zu sollte man seine Vorurteile natürlich auch mal wieder auf die Probe stellen – und zu diesem Zweck organisierte ich zu meinem Geburtstag vor einigen Wochen eine größere Probe, mit einer großen Bandbreite an Syrah-Weinen aus Griechenland. Bevor wir aber zu diesen Rotweinen kommen, sollen zunächst noch einige Roséweine besprochen werden …
Besonders empfehlenswert ist da etwa der Biblia Chora Rosé vom Ktima Biblia Chora. Das letzte Mal im Glas hatte ich den 2021 im da noch ganz frischen Jahrgang 2021. In der Nase zeigte sich der Wein sehr erfrischend. Ich hatte ihn parallel zum Kanenas Rosé von Tsantali geöffnet, der in mancherlei Hinsicht vergleichbar ist, aber Syrah mit Mavroudi kombiniert. Die reinsortige Variante vom Ktima Biblia Chora zeigte sich farblich schon weniger extrahiert und das bestätigt sich auch in der Nase. Süßliche Erdbeernoten werden von grünem Apfel ausgeglichen und wirken nie kitschig. Am Gaumen zeigt sich angenehme Säure mit einem animierenden Bitterton. Der Nachhall ist für einen solchen Einstiegswein gar nicht gering, nur ist der Geschmacksbogen insgesamt nicht sonderlich abwechslungsreich. Auf jeden Fall aber ein hervorragender Wein, der 90 Punkte verdient und im Sommer viel Spaß bereitet!
Dieses Frühjahr hatten wir dann mal noch einige andere Roséweine aus Syrah verkostet, die zu einer ähnlichen Zeit produziert wurden (2020 und 2021), nun aber natürlich schon etwas gereift waren. Der Theotoky Rosé 2020 kommt auf gerademal 11,5% Alkohol. Der Bio-Wein weist leichte orangene Reflexe auf und ist in der Nase eher verhalten. Es ist ein leichter Wein, bei dem am Gaumen Apfel, Grapefruit und Melone eine fruchtige Mischung bilden. Sehr gute 86 Punkte.
Auch schon etwas angereift ist der Artemis Syrah 2020 von Olympia Lang Estate. Der Wein aus der PGI Elia ist trotz farblich erkennbarer Oxidation aromatisch recht komplex. In der Nase ist die ganze Bandbreite von Holunderblüten über Stachelbeeren, Limetten und Erdbeeren bis hin zu Rosinen abgedeckt. 14% Alkohol verleihen dem Wein ordentlichen Körper. Ein wenig fehlt aber die Säure. Am Gaumen kommt Steinobst wie Nektarine und tropische Früchte wie Mango dazu. Aber auch hier ist mit roter Kirsche und Heidelbeere wieder für viel Abwechslung gesorgt. Sehr gute 89 Punkte.
Deutlich frischer als die vorangegangenen Weine ist der Lefki Poli Rosé 2021 von der Melidou Winery. Auch farblich glänzt er noch, dazu ist er sogar noch minimal moussierend. In der Nase zeigt er ein ein sehr ausgewogenes Profil mit Ananas und roter Johannisbeere und ein wenig Kirschwasser – auch am Gaumen ist der Alkohol, 13%, deutlich spürbar. Dazu kommen aber auch Kräuter wie Minze und Lavendel. Geschmacklich kommt dann noch eine Spur florale Noten und etwas Steinobst dazu. Ein sehr guter Wein von 88 Punkten.
Jetzt aber zu den Rotweinen. 14 verschiedene Erzeugnisse, 13 aus Griechenland (ein internationaler Vergleichswein von guter Reputation), davon ein Süßwein.
Der Mavros Vrachos 2019 von der Melidou Winery (PGI Serres) ist zwar eher ein Einstiegswein, kann sich aber durchaus sehen lassen. Die Farbe ist eher rötlich als violett, aber typische Aromen von Blaubeere auf der Zunge lassen einen dann doch die Rebsorte schnell erkennen. Eher leichtes Tanningerüst und geringe Säure. Dafür aber auch noch im vierten Jahr noch ziemlich frisch. 14,5% Alkohol, die sehr gut integriert sind. Kann man jetzt sehr gut trinken. Sehr gute 89 Punkte!
Auch aus dem Jahr 2019 war der 101 Portes von der Toplou Winery (PGI Lasithi). Er ist eine Spur intensiver. In der Nase ist die Aromatik leicht stallig, aber noch sehr dezent und sicher im attraktiven Bereich. Hier hat man eine ordentliche Portion Gewürze im Glas, wie sich beim ersten Schluck gleich zeigt – sodass die Blaubeere erst im Nachhall in Erscheinung tritt. Dass der Alkohol bei nur 13% liegt, überrascht. Ein vielleicht nicht perfekt ausbalancierter, aber dennoch aufgrund seiner Vielschichtigkeit sehr attraktiver Wein, der ebenfalls sehr gute 89 Punkte verdient.
Bereits im hervorragenden Bereich liegt dann der Syrah 2014 vom Ktima Gerovassiliou (PGI Epanomi), denn hier vergaben wir schlussendlich 90 Punkte. Ziemlich genau in diesem Bereich hatte auch der 2019er gelegen, den wir letztes Jahr, 2022, verkostet hatten. Der hatte sanfte Raucharomen und im Nachhall Spuren von Pflaume und blutigen Aromen. Die Tannine waren da aber noch sehr spitz und im Antrunk noch viele grüne Noten erkennbar. Zusammen mit dem sortentypischen Pfeffer war das etwas überfordernd. Erst an den Folgetagen öffnete et sich und gab bis dahin im Hintergrund stehende Mokka-Noten frei. Daher hatten wir jetzt nochmal einen älteren Jahrgang besorgt. Es scheint aber, als hätten wir erst etwas zu früh (im dritten Jahr) verkostet und jetzt etwas spät (im neunten Jahr). Irgendwann müssen wir mal nochmal einen Jahrgang dazwischen unter die Lupe nehmen … Auf jeden Fall ist eines ganz klar: Dieser 2014er war der Wein mit der schönsten Raucharomatik (frische Holzofenpizza!) der Verkostung, auch wenn er etwas jünger vermutlich stärker gewesen wäre.
Auch den Syrah 2017 von Alpha Estate (PGI Florina) hatten wir letztes Jahr, 2022, schonmal im Glas und zwar im gleichen Jahrgang. Da kam er uns noch etwas marmeladig vor und letztlich nicht dem Axia 2017 überlegen, obwohl hier exklusiv die „Schuldkröten“-Lage verarbeitet wurde (dafür natürlich reinsortig). Überextrahiert wirkte jetzt nichts mehr. Im Antrunk erfrischt vielmehr eine gute Säure. Geschmacklich sind jetzt erste Tertiärnoten zu erkennen. Wer Rotweine gerade in diesem Stadium mag, hat hier einen wunderbaren Wein. Gegenüber den nur wenig jüngeren, aber doch deutlich frischeren Weinen hatte er es aber etwas schwer. Trotzdem gab es im Resultat hervorragende 91 Punkte.
Der Syrah Drisbay 2018 von der Domaine Hatzimichalis (PGI Atalanti) lieferte sich in den Nachverkostungen ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Wein von Alpha Estate. Typisch ist hier Flintstein und Pfeffer. Eher ungewöhnlich die Kirsch-Aromatik. Da die dem Wein aber auch noch nach Tagen Frucht verleiht, kommt der Wein letztlich auf hervorragende 91 Punkte.
Das für Syrah vermutlich bekannteste griechische Weingut, das Avantis Estate (PGI Evia), hatte uns den Einstiegswein („Classic“) aus dem Jahr 2020 geschickt. Prototypischer geht Syrah nicht. Violette Farbe, Veilchen in der Nase, Blaubeere und Pfeffer am Gaumen. Dazu eine ganz schön deftige Portion Tannin. Nicht der allerkomplexeste Wein, aber schon ein ziemliches Kraftpaket, bei noch recht moderaten 13,9% Alkohol. Lediglich manchem wohl etwas süß im Abgang, wo auch Nelke viel mitspielt. Hervorragende 91 Punkte.
Der Emphasis Syrah vom Ktima Pavlidis (PGI Drama) ist dem Syrah Classic von Avantis Estate stilistisch recht ähnlich, aber ein Jahr älter, also aus dem Jahrgang 2019, was ihm guttun. Der Wein ist dichter und hat deutlich stärkeren Zug. Der Wein darf auch noch ein paar Jahre liegen bleiben, kann genauso gut aber auch jetzt schon genossen werden. Überzeugend auf ganzer Linie. Daher: hervorragende 91 Punkte.
An dieser Stelle des Rankings sortiert sich nun auch der einzige Dessertwein des Abends ein, der Princess 2016 vom schon genannten Avantis Estate (PGI Evia). Er hat freilich nicht die Dichte des für Griechenland so typischen Mavrodaphnes. Schon gar nicht hat er die Komplexität, die griechische Süßweine aus Weißweinrebsorten zuweilen zu bieten haben. Er ist aber wunderbar ausgewogen und frisch – und die ideale Begleitung zu einer Mousse au Chocolat.
Bevor wir zu den Weinen im bereits „großartigen“ Bereich (d.h., 93 Punkte aufwärts kommen), muss ich nun einen Wein dazwischen schieben, den ich leider erst kürzlich probieren konnte, den Avus 2016 von der Nadir Winery. In der Nase ist die Frucht ganz auf Brombeere konzentriert, aber ohne, dass das Ganze ins Überreife oder Marmeladige abdriftet. Dazu kommen wunderbare Specknoten. Nimmt man einen Schluck, hat man das Gefühl, geräucherte Salzmandeln zu lutschen. Das Tannin ist fein, die Säure stützt den Wein gut, die 15% Alkohol sind spürbar, aber gut integriert. Der erste Nachhall ist etwas verhalten, aber dann kommt in einem zweiten Nachhall nochmal eine ordentliche Portion Pflaume und ein ganz wunderbarer Anklang an Wachholder. Der Wein ist jetzt schon ein Genuss, doch noch hindert ihn am Vordringen in höhere Sphären etwas der Umstand, dass die einzelnen Aroma-Phasen nacheinander auftreten und so der Eindruck von Komplexität etwas geringer ausfällt, als das für den Wein vermutlich in ein oder zwei Jahren möglich sein wird. Tertiäraromen sind noch keine auszumachen. Da geht noch mehr! Also: hervorragende 92+ Punkte. Ein Wein, der wirklich heraussticht aus der Reihe der Weine, die Teil der Verkostung waren, zu der wir jetzt wieder zurückkehren …
Eigentlich hatten wir den Syrah 2018 von Boekenhoutskloof (Swartland, Südafrika) als Eichwein für die absolute Spitze vorgesehen gehabt. Vom Decanter und von Tim Atkin ist der mit 97 Punkten geadelt worden. Die Nase ist auch in der Tat sehr intensiv, beinahe parfümiert. Besonders rote Johannisbeere macht hier auf sich aufmerksam. Ein feiner Wein mit langem Nachhall. Auch schon großartige 93 Punkte reichen aber durchaus aus, um dem Wein gerecht zu werden.
Der Premium-Syrah vom Avantis Estate, der Collection 2019, steht dem bekannteren Wein aus Südafrika auf jeden Fall in Qualität nicht nach. Die Fruchtbombe überfordert im Antrunk beinahe, ebbt dann aber harmonisch ab. Manchen mag hier im Abgang wieder etwas viel Süße im Spiel sein. Danach tritt die Aromatik, hier auch mal von Brombeere geprägt, aber wieder in den Vordergrund. Ein toller Wein, der ebenfalls 93 Punkte verdient.
Der Le Roi des Montagnes Syrah 2020 von der Papargyriou Winery ist ein Kraftpaket. Tannin, Alkohol (15%), Süße, dichte Aromen … Da hat man ganz schön etwas zu kauen. Dank guter Säure ist der Wein aber nicht erschlagend. Trotzdem eher etwas für Schleckermäuler als für ein Feierabendgläschen. In dieser Stilistik in Griechenland ohne Parallele. Allerdings ist der Wein so noch deutlich zu jung. Großartige 93+ Punkte. Wer hohem Alkohol gegenüber nicht abgeneigt ist, aber es doch etwas dezenter mag, wird mit dem Avus von der Nadir Winery aber vermutlich etwas besser bedient sein.
Der Syrah 2019 vom Lacules Estate von der Peloponnes kommt deutlich dünnflüssiger ins Glas und ist nicht ganz so fordernd. Die Komplexität leidet darunter aber in keiner Weise. Ein wunderbgar dichter Wein. René Gabriel hatte dem 2017er 18 Punkte gegeben. Wir geben analoge großartige 94 Punkte.
Beim Nostos von der Manousakis Winery (PGI Chania) durfte man natürlich gewisse Hoffnungen haben, meinte doch Yiannis Karakasis schon zum 2014er, er sei ein Kandidat für den besten Syrah des Landes. Und in der Tat überzeugte er in der Nase sofort mit einer wunderbar attraktiven Mischung an Gewürzen, wie sie in dieser Verkostung höchstens noch der Le Roy des Montagnes von der Papargyriou Winery zu bieten hatte. Nur dass der Wein am Gaumen sehr viel filigraner ankommt. Und endlich war auch mal eine appetitmachende Portion Speck dabei. (Wie gesagt, der Avus 2016 von der Nadir Winery war leider damals nicht dabei!) Viel besser geht es in der Tat nicht. Phänomenale 96 Punkte. Aber Achtung: Der Wein knickte in den Folgetagen recht schnell ein. Allzulange sollte man den Jahrgang 2017 also vermutlich nicht mehr lagern lassen.
Klingt nach einem bombastischen Abschluss dieses Artikels. Aber halt, einer geht noch. Das Lacules Estate hatte uns neben dem 2019er auch noch den 2018er geschickt. Mensch, das war nochmal ein Unterschied! Rauch, Vanille, Schmelz, Frucht, alles wunderbar ausgewogen. Wir sind sprachlos. Das ist zweifelsohne auch im phänomenalen Bereich, knapp vor dem Nostos. Und weil der nach ein paar Tagen deutlich einknickte, der Wein von Lacules Estate aber noch dastand wie eine Eins, gibt es noch einen Extrapunkt – und damit phänomenale 98+ Punkte! Ja, wir wagen sogar das Pluszeichen, denn anders als einige andere Weine der Verkostung, die eher auf eine kürzere Lagerfähigkeit von griechischem Syrah hinzudeuten scheinen – mit Ausnahme des noch zu jungen Le Roi des Montagnes Syrah 2020 von Papargyriou, der genügend Substanz mitbringt, um einige Jahre zu überdauern; und neben dem Avus 2016 von der Nadir Winery, der leider damals nicht dabei war, aber seine Alterungsfähigkeit schon nachgewiesen hat – ist dieser Wein wirklich für den Keller gemacht. Tatsächlich ist mir noch nie ein solch unzerstörbarer griechischer Wein in die Hände gekommen. Ich wage es kaum auszusprechen, aber die (sehr dickwandige und lichtundurchlässige) Flasche hat den Terrassen-Test mit Bravour bestanden. Trotz Frühlingstemperaturen und direkter Sonneinstrahlung war der Wein sogar noch nach einem ganzen Monat (!) trinkbar, ja (und das zuzugeben, fällt mir nun noch schwerer), sogar mit Genuss. Unglaublich.
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